Unter diesem etwas beunruhigendem Motto („alles ist möglich, nichts ist sicher“) standen meine vergangenen adrenalingeschwängerten Tage. Zum Osterwochenende ging es zunächst in die moderne, saubere und freundliche Stadt Bucaramanga, die fast schon europäischen Charakter hat. Dazu kommt ein hohes Sicherheitsgefühl und ein tolles Klima, eine Stadt mit solch hoher Lebensqualität habe ich in Kolumbien ehrlich gesagt nicht erwartet. Von dort habe ich einen Paraglidingflug gebucht. Das Erlebnis und die Aussicht waren schon klasse, auch wenn ich meinen Guide eher in die Kategorie Panorama-Pilot einordnen würde. Sicherheit geht halt vor, denn einige andere waren eher in Harakiri-Manier unterwegs. Eine Rafting Tour auf einem Fluss mit Stromschnellen bis zur Stufe 5 war dann noch spektakulärer, wurde aber noch getoppt von dem Abseilen von einem gigantischen 180m hohen Wasserfall. Beherbergt war ich für diese Aktivitäten im Mekka des Extremsports, ein Ort namens San Gil. Dieser hat auch einige regionale lukullische Genüsse zu bieten: Neben exzellentem Ziegenbraten habe ich geröstete Ameisen („Hormigas culonas – Ameisen mit dicken Hintern“) probiert. Diese gelten hier als Aphrodisiaka – die man bei der umwerfenden Schönheit der einheimischen Damenwelt aber nun wirklich nicht noetig haben sollte. Für meinen Gaumen sind sie eh etwas streng im Geschmack, da bevorzuge ich die in Mexiko angebotenen gerösteten Heuschrecken schon eher. Sehr kurzweilig war auch eine Partie des kolumbianischen Nationalsports Tejo, bei dem mit Schießpulver gefüllte Zielscheiben mit einem Eisenstück (dem „tejo“) getroffen werden müssen. Bei einem Treffer gibt es entsprechend einen lauten Knall und man wird von den Kumpanen kurz bejubelt. Eine wahre Macho-Beschäftigung, bei der das Bier in Strömen fließt. Nach diesen überaus erlebnisreichen Tagen lasse ich es jetzt in der vielleicht schönsten Kolonialstadt des Landes, Barichara, ein wenig ruhiger angehen. Und nach einigen Nächten Couchsurfing und in Hostels gönne ich mir mal wieder ein stilvolles Einzelzimmer. Bin halt an sich ein geselliger Typ, aber nicht zwingend mit anderen Leuten 😉
Archiv für den Monat: April 2014
Caribe, Chiva & Ceviche
Nachdem ich vom Dschungel erholt und wieder im Vollbesitz meiner Kräfte war, ging es nach ein paar weiteren Tagen Cartagena weiter die Küste herunter. Wie schon in Panama gestaltet sich dabei das Reisen hier aufgrund von weniger Verbindungen und weniger auf Touristen zugeschnittener Angebote etwas komplizierter, dafür bekommt man aber auch mehr von Land und Leuten mit. Ungewöhnlich ist für mich, dass über Buspreise wie auf dem Basar verhandelt werden kann, und das gilt nicht nur für die halbofiziellen Transporte, sondern auch für die großen Busagenturen. Hier habe ich als Gringo naturgemäß schlechte Chancen und musste sicherlich den ein oder anderen Peso Lehrgeld bezahlen. Dies wurde mir jedenfalls bewusst, als meine kolumbianische Reiseabschnittsgefährtin dann bei solchen Gelegenheiten die Verhandlungen führte. Sie war es auch, die mich für das karibische Zeitgefühl sensibilisierte, als wir um 8 Uhr einen Bootsausflug gebucht hatten. Während ich als pünktlicher Deutscher um kurz vor acht schon Druck machte, bekam ich nur „tranquilo“ zu hören. Natürlich sollte sie Recht behalten, denn obwohl mit 20 Minuten Verspätung am Bootssteg angekommen, sollten wir noch eine weitere halbe Stunde warten bis es losging. Wir waren auch auf einer spassigen Abendveranstaltung namens „Rumba en Chiva“, eine Art Fiesta im Partybus. Man nehme einen bunt angestrichenen, offenen Bus, eine Gruppe Musiker, einige Dutzend Kolumbianer und eine Handvoll Touristen sowie eine Pulle Schnaps pro Sitzreihe und los geht die lustige Fahrt durch die Stadt. In unserem Fall kam dann unplanmässig noch ein geplatzter Reifen dazu, so dass die Party bis zum Eintreffen eines Ersatzbusses kurzerhand auf die Strasse verlegt wurde. Wir befanden uns dabei mitten in einem Wohngebiet. Während in Deutschland sowas wohl innerhalb von Minuten nach hysterischen Anrufen bei der Polizei aufgrund von Ruhestörung aufgelöst würde, haben hier die Anwohner einfach gelassen reagiert und teilweise mitgefeiert. Ok, die sind Musik auch gewöhnt, denn an jeder Ecke ist zu fast jeder Tages- und Nachtzeit Salsa, Reggaeton oder Champete zu hören. Nicht der billige Fusel aus dem Bus, sondern wohl eine meiner täglichen Portionen Ceviche (marinierter Meeresfrüchtecocktail) war wohl die Ursache von Montezumas Rache, die mich nach über 3 Monaten zwar spät, aber schließlich doch erwischte. Zum Glück in einer leichten Version. Ich sollte mich vielleicht doch an das bewährte Motto eines weisen Freundes halten: Esse was gar ist, trinke was klar ist, sage was wahr ist, sammel was rar ist, und gehe dahin wo es nah ist. Nach vier Wochen an der Karibikküste ist nun aber eh Schluss mit Seafood & Co und es ist Zeit für andere Regionen. So bin ich grade nach insgesamt 20-stündiger Reise im Herzen Kolumbiens angekommen…pünktlich zu den Prozessionen der Semana Santa.
Ciudad Perdida
= „Die verlorene Stadt“ in der tropischen kolumbianischen Sierra Nevada, die 400 Jahre lang keine Menschenseele zu Gesicht bekam. Schon als ich vor Jahren zum ersten Mal von dieser im tiefen Dschungel gelegenen, erst in den 70er Jahren entdeckten und nur durch einen mehrtaegigen Marsch zu erreichenden Staette gehört habe, war ich fasziniert und habe mir vorgenommen, die Tour bei Gelegenheit zu absolvieren. Nun war es also soweit. Als Ausgangspunkt diente zunächst Santa Marta, ein Feriendomizil der Kolumbianer, ausserdem Geburtsort von Valderrama und Falcao sowie Todesstätte von Simon Bolivar. Eine nach meinem Eindruck eigenartige Stadt zwischen Moderne und dritter Welt, alleine im Zentrum restaurierte, attraktive Gegenden auf der einen, heruntergekommene Straßenzüge mit zwielichtigen Gestalten auf der anderen Seite. Ein kleines Highlight war dann auch der Besuch der Valderrama-Statue am lokalen Stadion und die dortigen Fachgespräche über die kolumbianisch-deutschen Erfolgsaussichten bei der WM. Einen Besuch abgestattet habe ich auch dem angrenzenden Fischerdorf Taganga, dem obligatorischen Rückzugsort für Lebenskünstler, Hippies und sonstige Planetenkasper, der natürlich auch in Kolumbien nicht fehlen darf. Zudem ging es hinauf in das charmante Bergdorf Minca, das inmitten der Natur ein schoenes Ziel fuer einen Tagesausflug darstellte. Nun aber zum Dschungel-Trek: Zur Auswahl standen 4,5 oder 6 Tage. Nach den in Guatemala absolvierten Vulkanbesteigungen – im Vergleich hierzu Kindergeburtstage – habe ich mich vielleicht ein wenig uebermuetig fuer 4 Tage entschieden. Dass man dazu masochistisch veranlagt sein muss, wurde mir aber auch verschwiegen. Als unsere kleine Gruppe von drei netten Kanadiern und mir voller Motivation im Ausgangsort angekommen waren, nahm uns der herzensgute Guide vom indigenen Stamm der Wiwa im Empfang und versorgte uns gleich zu Beginn mit zu kauenden Koka-Blaettern fuer mehr Power und gegen das Hungergefuehl. Vielleicht hat auch die Erscheinung eines pinken Elefanten am Wegesrand damit zu tun 🙂 In den folgenden Tagen erwarteten uns dann so einige Herausforderungen: eine extreme Luftfeuchtigkeit, sengende Hitze, steile Anstiege, (die entsprechenden Abstiege sind uebrigens nicht weniger anstrengend), huefttiefe Flussueberquerungen, unwegsames Gelaende mit einer latenten Baenderrissgefahr (bei 3 Tagesmaerschen bis zur naechsten befahrbaren Piste keine schoene Vorstellung), schliesslich 1280 Stufen herauf zu verlorenen Stadt, ausserdem Moskitos, Zecken, Schlangen und anderes Getier, sowie Naechte in Haengematten. Dementsprechend ging es auf der Beduerfnispyramide in diesen Tagen einige Stufen abwaerts. Auf der anderen Seite wurden wir fuer die Qualen reich belohnt durch eindrucksvolle Dschungellandschaften mit einer variantenreichen Flora und Fauna, tiefen Einblicken in die Kultur der Wiwa- und Kogi Voelker, Wasserfaellen, glasklaren Badestaetten, schoenen Aussichten, und nicht zuletzt der Ciudad Perdida an sich. Dort trafen wir neben dem Militaer auch auf den „Mamo“, den Schamanen der indigenen Voelker, der uns an der heiligen Staette einem Ritual unterzog. Den letzten Tagesmarsch absolvierte ich auf eigene Faust, da der Rest der Gruppe noch einen Tag laenger blieb. Eine knappe Stunde vor dem Gluecksmoment der Ankunft im Basiscamp – noch nie hat ein Gatorade so gut geschmeckt – holte mich ein Knabe ein. Wie sich herausstellte hatte sich mein Guide Sorgen um mich gemacht und seinen zehnjaehrigen Sohn samt Pferd losgeschickt, um mich aufzufinden und zum Ende zu begleiten. Zwar legen die Eingeborenen diese Maersche taeglich zurueck, aber es ist dennoch erstaunlich zu sehen, wie scheinbar muehelos sie diese absolvieren – wohingegen unsereins mit den Kraeften am Limit ist und transpiriert wie sonst nur in der Sauna. Hier muss ich besonders unseren Koch hervorheben, der so einige Kilos Lebensmittel auf dem Ruecken mitschleppte, zumindest ab der Stelle, wo es selbst fuer die Maultiere nicht mehr weiter ging. Nun, mit bereits einigen Tagen Abstand, ein wenig Wundenlecken und viel Entspannung blicke ich auf eine erinnerungswuerdige Tour und wirklich lohnenswerte Erfahrung zurueck.