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Serendipidade – O Rio de Janeiro continua lindo

Ipanema, Posto 10, 17:00 Uhr. Selten oder nie kommt man hier hin und will eigentlich doch am liebsten jeden Tag hier sein. Einer der es geschafft hat ist Ronald Jatoba. Ronald wer? Google spuckt ein Video aus. Vor 19 Jahren von TV Globo produziert. Sein Beachvolleyballspot am Posto 10 sieht so aus wie heute, auch Ronald hat sich nicht großartig verändert, sein Lachen erkennt man sofort. Titel: „Der schlechteste Beachvolleyballer aller Zeiten“. Statistisch gesehen mag das stimmen, die Aussage täuscht dennoch: Ronald ist mit sich im Reinen. Er lacht viel. Den Job in einer Bank hat er aufgegeben für ein entspanntes Leben mit dem Ball am Strand. Er kennt sie alle, die aktuellen Stars der World Tour, die links und rechts des Posto 10 trainieren, sowie die Veteranen, hat viele von ihnen begleitet, war als Betreuer mit bei Olympia, anno 2004 in Athen. Ronald geht auf die 60 zu, hat aber das Verspielte, Kindische, Unbeschwerte nie verloren. Zudem ist er Brasilianer, per se nimmt er das Leben leicht. Und lebt im Moment. „Vida boa, vida boa“, erwähnt er mantraartig, ein gutes Leben. Sein Finger zeigt Richtung Dois Irmaos, die legendäre Silhouette der zwei Berge am Horizont. Besonders häufig zum Sonnenuntergang. Die göttliche Show ist jeden Tag anders, selbst er kann sich nicht sattsehen. Auch nicht nach Jahrzehnten. „Lindo, lindo. O sol, o sol“. Daumen hoch. Touristen und Cariocas ziehen am Spielfeld vorbei, fast alle zücken ihre Handys. An besonders exponierten Spots wird sogar applaudiert, aus Dankbarkeit, diese Überwältigungsästhetik erleben zu dürfen. Die Strandverkäufer bauen langsam ab, verkaufen uns ein letztes Wasser – „estupidamente gelada“, bescheuert eiskalt gekühlt, wünschen ein letztes Mal „boa praia“, einen guten Strand noch, wie man hier zu sagen pflegt. Am Wochenende bauen spätestens jetzt die Abendverkäufer entlang der Promenade ihre Stände auf. Es ist Februar, Sommer in Rio. Jedes Wochenende ist Ausnahmezustand. Em fevereiro tem carnaval. Als wenn Rio sich nicht tagtäglich schon genug feiert haben sie im Februar auch noch den Karneval. Momentan läuft die pre-carnaval Zeit, nicht minder exzessiv. Caipirinha wird in Fässern geliefert. Die Konzerte sind umsonst und draußen, die ganze Stadt, Favelados, Vagabundos, Blancos, Negros und Indios zieht es zu einer Bühne, vielleicht 200 Meter von unserem Spielfeld entfernt. Am Strand sind alle gleich, auch wenn auf dem Sand eine Bühne steht. Wir zocken derweil ein Spiel nach dem anderen aus und verpassen das Konzert. Die unvermeidliche Konsequenz all der schönen Dinge, die das Leben bietet. Nach dem Sonnenuntergang leuchtet das Flutlicht den Platz aus. Welch ein Arbeitsplatz. Unser Coach ist ehrgeizig, stets spielt Ronald selbst mit. Und will immer gewinnen. Die Psycho-Spielchen beherrscht der Filou wie kein Zweiter. Nach besonderen Ballwechseln lässt er sich auf die Knie fallen, Zeigefinger gen Himmel, „Ahhh Ga-ro-tin-ho“, Ahhh kleiner Junge, eine etwas eigenwillige Hommage an sich selbst. Bei eigener Führung betont er den Spielstand 4, 5 Mal. Unter Druck zeigt er sich als Meister des Zeitspiels. Zweimal täglich – um 7 Uhr für die Frühaufsteher und um 17 Uhr für die Fortgeschrittenen macht sich Ronald mit seinem verrosteten Lastenfahrrad – Marke Eigenbau – von seiner Wohnung an der Lagoa Rodrigo de Freitas – wahrscheinlich die spektakulärste Lagune der Welt – auf den Weg Richtung Strand. Man könnte auch sagen: von einem Weltwunder zum nächsten. Nicht mal 10 Minuten voneinander getrennt. Wenige 100 Meter entfernt baut sich das nächste Wunder auf, inmitten von Hügeln, der Regenwald, natürlich der größte innerstädtische der Welt. Cristo Redentor hat wie immer alles im Blick und wacht über die Schönheit der Natur. Wie gemalt, es ein Skandal. Zurück zum profanen Protagonisten: Netz, Bälle, sonstiges Equipment, alles hat Ronald dabei. Manchmal erscheint er allerdings nicht. Einfach so. Fragen in der Social Media Gruppe, ob gespielt wird, ignoriert er zuweilen geflissentlich. Stress mag er nicht, der Bankjob habe ihn damals krank gemacht. Wenn man merkt mit wie wenig man auskommen kann, fällt die Motivation Geld und Status weg. Einmal berichtet er kurz vor 17 Uhr von einem „unvorhergesehenem Ereignis“, die Session falle daher aus. Aber bitte keine Sorgen machen, es sei nicht so schlimm! Minuten später fragt er in derselben Gruppe (!) an, ob jemand mit ihm gleich ins Fussball Stadion gehen möchte. Als Deutscher ist man irritiert, schließlich hat man bezahlt und die Sporteinheit gedanklich fest in den Tagesablauf eingeplant. Doch kann man Ronald böse sein? Am nächsten Tag ist er wieder da, scherzt herum, redet ununterbrochen. Daumen hoch. „Vida boa, vida boa“. Insgeheim sind wir neidisch. Die aufrichtigste Form der Anerkennung. Ronald hat den schönsten Job der Welt. O Rio de Janeiro continua lindo!

Die Weißen WM-Nächte von Saint Petersburg – Ein Sommermärchen

Bei der Auswahl des Wunschortes im Rahmen der Bewerbung als Volunteer für die WM 2018 gab es keinen Zweifel: St. Petersburg sollte es sein, und die Kulturmetropole sollte mich nicht enttäuschen. Im Venedig des Nordens angekommen musste ich mich zunächst an die etwas schroff erscheinende russische Mentalität gewöhnen. Der Kontrast zwischen tief verankerten Mustern aus Soviet-Zeiten und den zunehmend kosmopolitischen Facetten war offensichtlich, und durchaus spannend. Spätestens als mir beim morgendlichen Besuch eines lokalen Marktes der erste Wodka angeboten wurde lernte ich dann auch die russische Herzlichkeit kennen. Zumal ich mir inzwischen durch den Besuch von ehemaligen Zarenresidenzen – unfassbare Ensembles aus Parkanlagen & Palästen – auch einen kulturellen Einblick eingeholt hatte. Ein Highlight waren natürlich die Weißen Nächte, fast schon magisch, wenn allnächtlich zunächst ein Träumchen aus hellblau-rot-orange und dann ein Milchfilter den Horizont bedeckt. Auch mein Arbeitsort, das futuristische, spektakulär an der Spitze einer innerstädtischen Insel gelegene Stadion war ein absoluter Blickfang. Zugleich aber auch ein Sinnbild für Korruption, Bereicherung und Pfusch. Die Baukosten vervielfältigten sich auf teils mysteriöse Weise. Dort erlebte ich in der bewährten Funktion als Media Volunteer emotionale Momente: der marokkanische Reporter auf der Pressetribüne, der beim Abspielen der Nationalhymne vor Glück in Freudentränen ausbrach, das bizarre Schauspiel des vor Pathos nur so strotzenden Maradona im VIP Bereich, die erleichterte Selecao in der Mixed Zone nach einem Last-Minute Sieg…Die Organisation und die Aufgaben im Medien Center waren im Vergleich zu der letzten WM auf dem Papier die gleichen, ein wenig vermisste ich nur die brasilianische Leichtigkeit. Aber vielleicht kann man dies in Russland, wo selbst unsinnigste Vorgaben in aller Regel strikt und ohne Möglichkeit zur Diskussion eingehalten werden, auch einfach nicht erwarten. Umso schöner waren die Besuche in unserem Stammlokal nach absolvierten Schichten, dem „Alpenhaus“, einer idealerweise direkt neben dem Stadion gelegenen Bierstube. Fans aus aller Herren Länder verwandelten die Lokalität nach den Spielen in eine einzige Partyzone. Ungläubig rieben sich die russischen Gäste ob der ausgelassenen Stimmung regelmäßig die Augen. Generell haben die Einheimischen diese Tage in vollen Zügen genossen, wohlwissend, dass sie Teil eines Spektakels sind, das eine absolute Ausnahme darstellt. Alkohol in der Öffentlichkeit, hilfsbereite Polizisten, ungezwungene Treffen zwischen In- und Ausländern, brazilian moments: all dies war wohl leider nur eine temporäre Erscheinung. Wobei ja sicher ist, dass nichts sicher ist. Und selbst das nicht. Erstaunt war ich auch, dass sich die lokalen Volunteers weitestgehend gar nicht für Fussball interessierten. Dem ein oder anderen ging es eher um einen Eintrag im Lebenslauf als um eine Leidenschaft, oder wie Tante Käthe es formulieren würde: Sie haben den Fussball nie geliebt. Ganz im Gegensatz zu den fussballverrückten auswärtigen Volunteers, die alle gemeinsam im Tourist Hotel (heisst wirklich so) untergebracht waren. Der kostenfrei zur Verfügung gestellte Soviet-Kasten war alles andere als komfortabel, eine (!) Keycard für bis zu 5 Gäste pro Zimmer ist vielleicht etwas ungünstig, und auch die regelmäßig auf den Eingangsbereich abfallenden Balkonelemente sorgten für Unbehagen. Allerdings erfüllte der Betonklotz seinen Zweck, und die Zentralisierung der Volunteers entpuppte sich als großer Pluspunkt. Auf dem Bolzplatz nebenan wurden so einige Matches ausgetragen, der Konferenzraum wurde allabendlich zum geselligen Treffpunkt umfunktioniert und an manchen Tagen wurde gezaubert als gäbe es kein Morgen. Die desaströsen Auftritte der DFB-Elf schauten wir gemeinsam auf dem Fan Fest, natürlich stilvoll eingebettet inmitten prachtvoller Gebäude. Mein Zimmer teilte ich mit 2 jungen Russen aus Sibirien sowie einem weitgereisten Politikersohn aus Pakistan, allesamt sympathische, unkomplizierte Zeitgenossen. Dies gilt auch für Jose „Pepin“ Alvarado, den personifizierten Inbegriff eines Abenteurers, in dessen Limousine wir anno 2014 die legendäre Nacht von Rio verbrachten. Das Wiedersehen mit ihm war mir eine besondere Ehre. Ebenso wie die Begegnung mit dem famosen (Lebens-)künstler Mark Ahr, der meinen ägyptischen amigo Ahmed und mich nach dem Kauf eines seiner Werke zum Frühstück in seine inspirierende Wohnung einlud. In Erinnerung bleiben wird auch der emeritierte afroamerikanische Professor Assefa, wie die soeben erwähnten Personen ebenfalls Mitglied im Zirkel der Weisen, den ich beim abschließenden Moskau-Besuch im Kapselhotel kennen- und schätzenlernte. Übrigens hat mich Moskau und dort insbesondere der urbane Wandel noch viel mehr als SPB positiv überrascht. Und selbstverständlich sind die zahlreichen Fans des beautiful game zu nennen. An erster Stelle jene aus Lateinamerika (die Europäer machten sich rar): Fantastische Mexikaner & Brasilianer, fanatische Argentinier, die pura-vida Ticos aus Costa Rica, die Cafeteros aus Kolumbien, aber auch die Nigerianer, Marokkaner und Iraner, tatsächlich auch Iranerinner! Sie alle brachten in diesen denkwürdigen Tagen eine bunte, stimmungsvolle Atmosphäre nach Saint Peter. Mundialistico! Man wird sie vermissen in dieser Stadt des Lichts, die wahren Stars of the White Nights. Die wahren Gewinner wiederum werden die Einheimischen sein, die Feuer gefangen haben, und zwar freiwillig, ohne dass sie zum mitmachen überredet werden mussten. Eine veränderte Gesellschaft, voller Eindrücke von dem, was sie erlebt haben, von den schönen Begegnungen mit Ausländern. Rückblickend werden die Augen leuchten, vielleicht werden sie auch Fragen stellen, vielleicht werden sie ein wenig zusammenrücken mit der Welt. Es wäre viel wert in diesen Zeiten.

Olympische Spiele 2016 – Rio de Janeiro – Eine euphorisierte Liebeserklärung

In heutigen schnelllebigen Zeiten, in denen man allzu schnell Dinge vergisst, die man niemals zu vergessen glaubte, in denen man vergisst, was man träumte und was man sich zuflüsterte, sind Erinnerungen wichtig. Sie sind das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können und manchmal reicht es sogar, sich in Erinnerungen zu verlieben. Ein Rueckblick in das Jahr 2009: Es gibt Orte, die auf den ersten Blick eine gewisse Magie ausstrahlen. Rio de Janeiro, daran gab es nach ganz wenigen Momenten keinen Zweifel, war für mich ein solcher Ort. Wie der Zufall es wollte, fand in jenen unbeschwerten Tagen anno ’09 auch die Bekanntgabe der Host-City der Olympischen Spiele 2016 statt. Bei der Entscheidung – per Liveübertragung an der Copacabana – gab es bei den Cariocas kein Halten mehr, und auch mir, dem Rio-Novizen, soufflierte eine innere Stimme, dass ich dabei sein müsste. Spätestens nach der glorreichen WM 2014 mit dem Final-Schauplatz Rio wandelte sich diese lose Idee in ein alternativloses Vorhaben. Es gibt nichts Mächtigeres, als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Bewerbung als Volunteer abgeschickt, Flug gebucht, Wohnung gemietet, alles war bereits frühzeitig angerichtet. Pünktlich zur Eröffnungsfeier war ich dann da. Das kleine Apartment war zwar klein und hoffnungslos überbelegt, die Lage allerdings sprach für sich. Direkt an der Nossa Senhora de Copacabana, in Sichtweite zum Copacabana Palace. So klapperte ich flugs jene Orte in der Nähe ab, die mit früheren Besuchen verknüpft sind: Die Saftbar des WM-Finals, die Churrascaria und das Fischlokal meines Vertrauens, und eben den legendären Palast. Dann stand auch schon das Einkleiden und die Akkreditierung fuer meinen Volunteer-Job auf dem Programm. Bereits bei der Anreise zur „Cidade do Samba“, wo normalerweise fuer den Karneval trainiert wird, wurde klar, dass es ein Olympia der langen, weiten Wege und des Verkehrschaos werden wuerde. Es zeigte sich auch mal wieder, dass die Brasilianer zwar Spaß an der Arbeit vermitteln, aber oftmals nicht unbedingt dazu befähigt sind. Es gab viel zu viele Mitarbeiter, die viel zu wenig Bescheid wussten. Auf dem Weg zur U-Bahn nach einem Arbeitstag im Maracanazinho, dem Volleyballstadion, traf ich nach Mitternacht – die Spiele waren längst vorbei – noch diverse menschliche Wegweiser – ich war die einzige Person weit und breit. Die Brasilianer lieben das Nichtstun, das Ueber-Nichts-Nachdenken in einem Maße, wie wir es wohl nie nachvollziehen werden können. Ich liebe es, mich auf Kosten der Einfältigen zu amüsieren Zur weitestgehend negativen deutschen Berichterstattung über die Spiele allerdings nur ein Satz: So berichteten jene, die nicht (wirklich) dabei gewesen sind. Sehr schön anzusehen war z.B. die Verwandlung des vormals tristen Stadtzentrums in eine attraktive Gegend, zumindest was den Bereich des Hafens und des Boulevard Olimpicos mit seiner Poesie des Straßenlebens angeht. Dort beim Public Viewing neben dem Olympischen Feuer als gefuehlt einziger Deutscher das Fussball-Finale Deutschland-Brasilien zu verfolgen war ne tolle Sache, auch wenn ich nachher ordentlich Schadenfreude einstecken musste. Ein kurzes „sete a um (7:1)“ – das mittlerweile als Synonym fuer „Schande“ in den brasilianischen Sprachgebrauch eingegangen ist – reichte, um sie wieder verstimmen zu lassen. Während der Olympischen Spiele war Fussball allerdings eher zweitrangig – the place to be war zweifellos die Arena do Volei de Praia, die Beachvolleyballarena, schon jetzt eine Legende, ein Mythos auf Zeit, Schauplatz der Verbrüderung der Welt, mit Blick auf die Berge und das Meer, auf Kriegsschiffe und Favelas. Somit ließ ich fast alle anderen Events links liegen und deckte mich ohne Ende mit Tickets für das Spektakel ein. Ein Kuriosum während der Vorrunde waren die ägyptischen Damen, die selbst bei tropischen Temperaturen in Ganzkörpermontur und mit Kopftuch aufliefen, im freizügigen Brasilien aber ironischerweise schnell zu Publikumslieblingen avancierten. Mit meinem ägyptischer Freund Ahmed ließen wir uns vom Exotenbonus anstecken und freundeten uns mit den beiden Beach-Queens nach einem Spiel im Backstagebereich an. Es ist erstaunlich, wie mühelos Bereiche mit Zugangskontrolle – übrigens auch nach dem Finale – zwecks obligatorischen Goldmedaillenfoto – in Brasilien betreten werden können. Man kann von Glück reden, dass Terroristen offenbar nicht an Anschlägen in Rio interessiert waren. Wie schon angeklungen endete das Turnier mit dem Triumph der deutschen Golden Girls, die sowohl im Semi- als auch in Finale die lautstark unterstützten Gastgeberduos eindrucksvoll deklassierten. Die Medaillenzeremonie weit nach Mitternacht am Geburtsort des Beachvolleyballs war unvergesslich. Das Comeback des Augenblicks. Die Nächte verbrachten wir sonst oft in den Straßen, Bars und Clubs des legendären Stadtteils Lapa, einmal auch im leider viel zu abgehobenen Schickimicki-Club des French House an der Lagoa. Bei einem solchen Megaevent sind leider auch all jene dabei, die sich verlaufen haben, und die man anderswo mit Blaulicht einweisen würde. Davon abgesehen waren die Olympia-Häuser der Nationen immer einen Besuch wert, zu nennen ist das partywuetige Austria-House, die eher kulturellen Casas de Colombia und de Mexiko und auch das Deutsche Haus am Strand, das wir anlässlich eines Auftritts von MC Gringo, einem etwas durchgeknallten deutschen Funk-Musikers und Favela Besucher besuchten. Apropos Favela, einem Geheimtipp folgend, wollten wir eines Tages mal ganz abseits von dem Olympia-Hype ein Graffiti-Sozialprojekt in der Nähe des pittoresken Kuenstlerviertels Santa Teresa besuchen. Die Polizisten am Eingang der Favela dos Prazeres wussten natuerlich von Nichts, ließen uns passieren, und erst als es anfing unheimlich zu werden, trafen wir auf eine Art Sozialarbeiterin, die uns erst einmal erklärte, das man sich in Prazeres nicht selber einlädt, sondern eingeladen wird. Dennoch wurde es ein sehr interessanter Einblick in die aktive Kultur, die auch in den Armenvierteln kein Privileg von Joghurt ist. Nach der Olympiade verließ ich Rio, um noch für ein paar Tage in Buzios, wo sich vor 50 Jahren schon Brigitte Bardort erholte, in einer entspannten Pousada runterzukommen. Dormitory & Deluxe. Man ist ja keine 20 mehr. Was bleibt von dieser Zeit? Die wahnsinnigen Momente und Emotionen hätte ich gerne festgehalten. Gluecklicherweise prägen sich Ereignisse desto mehr ein, je emotionaler man sie erlebt. Doch die Euphorie geht vorbei, kein Thrill lässt sich auf Dauer halten. Es sind Wellenbewegungen und mit Glück erwischt man die Spitze einer Welle und ist live dabei, so wie 2009, 2014 und 2016 In Rio de Janeiro, der wahrhaftigen cidade maravilhosa.

Siegerehrung beim Beach-Turnier.  Signature fans im Hintergrund
Siegerehrung beim Beach-Turnier. Signature fans im Hintergrund

Ein unvergleichliches Jahr

Ein letztes Hallo aus Bangkok, der finalen Station meiner langen Reise. Nun ist es also soweit, das freie, herumziehende, unbeschwerte Leben ist fast vorbei. Die letzten Tage hatte ich auf der relaxten thailändischen Insel Koh Lanta noch ein wenig Zeit gefunden, das Jahr entspannt Revue passieren zu lassen. Und es war wirklich eine unvergleichliche Zeit. Die Welt stand mir offen, hinter jeder Ecke warteten Abenteuer und Freiheit, und manchmal, ja, magische Momente. Der Weg war das Ziel. Auf diesem habe ich aufregende Metropolen & bezaubernde Kolonialstädte kennengelernt, einsame Inseln & abgelegene Bergdörfer erkundet, atemberaubende Landschaften & historische Stätten zu Gesicht bekommen, Berge & Vulkane bestiegen, in Hängematten & im Kloster, im Dschungel & in der Wüste übernachtet, Hühnerherzen, Leguane, Ameisen & die besten Steaks der Welt genossen, eine neue Sprache gelernt & viele neue Kulturen kennengelernt, mit kolumbianischen Caribenas Bachata und mit brasilianischen Gauchas Samba getanzt (oder es zumindest versucht), den Gewinn des vierten Sterns hautnah miterlebt, und noch so vieles mehr. Sicherlich habe ich auch einige persönliche Grenzen verschoben, doch immerhin, meinen einzigen vorab gefassten Vorsatz „kein Heroin und kein schwanger“ konnte ich einhalten – soweit ich weiß. Und auch die meisten unmoralischen Angebote, wie für ne Handvoll Dollar mal mit einer Panzerfaust zu schiessen, habe ich abgelehnt – für etwas mehr gibt es uebrigens auch noch ne Kuh als Zielscheibe dazu! All dies waren tolle Erlebnisse, doch was wären sie ohne die Menschen, mit denen ich sie teilen durfte. Ich kann hier sicher nicht alle Weggefährten erwähnen, aber da wären beispielsweise: Die wunderbare Diana, einen schöneren Start als der Trip mit ihr durch Mexiko hätte ich mir nicht vorstellen können. In Guatemala geht mein Dank an meinen Spanischcoach Pedro und meine Gastfamilie aus Quetzaltenango. Zudem fand ich in Mercedes aus Antigua eine wahre Freundin. Den Pre-Karneval von Panama erlebte ich mit dem Kanadier Nigel, die abgedrehten Tage von Las Tablas mit Max aus den USA, Timo & Christoph, eine zufällige, aber einfach gut harmonierende Truppe. Auf San Blas traf ich auf die porteñas Carolina und Cécilia, die mich später in die Kreativszene von Buenos Aires einführen sollten. In Kolumbien war es Brenda aus Cartagena, die mich mit ihrem karibischen Lebensgefühl auch in Medellin und auf San Andres begeisterte. Auch die Freundschaften zu Felipe und Omar aus Bucaramanga und zu Mafe aus Bogotá weiß ich zu schätzen. Virginia aus Mendoza danke ich fuer schoene Tage in Buenos Aires, jener Traumstadt, in der ich auch Freundschaft mit „el loco“ Andres schloss, der gemeinsam mit Julieta und Cristhian eine tolle WG in Porto Alegre bildete. „Brasil, decime que se siente“, noch immer klingt der Nachhall von diesen fussballverrückten Argentiniern in meinen Ohren. In Uruguay lernte ich Charles und Alexander kennen, die mich einige Wochen später durch ihre Heimatstadt Fortaleza führten. Womit wir schon bei Brasilien wären: Iris aus Pipa, Tania und Bruna aus PoA, dann insbesondere Nils, Torsten, Ahmed aus Ägypten, Volkan aus der Türkei, stellvertretend für die grandiose Volunteer-Truppe: was haben wir alles erlebt, die WM hautnah im Estadio Beira-Rio, berauschende Fan-Feste mit Brasi-Funk, caipigeschwängerte Samba-Nächte in der Cidade Baixa, Churrasco ohne Ende bei Freio de Ouro – es war die WM unseres Lebens! Sicher auch für meine Dortmunder Jungs, mit denen ich die glorreichen Tage von Rio de Janeiro und Belo Horizonte erleben durfte. Priceless! Ich erinnere mich noch als ich vor einem Jahr mit Niko über die Illusion, dieses WM-Finale live zu erleben phantasiert habe: „Was gäbe es Geileres?“ „Nix!“ Und der Traum wurde tatsächlich wahr, ganz zu schweigen von dem Blow-Out-Halbfinale, möglich gemacht durch Andreas! Ich denke wir konnten uns mit der legendären Triumphfahrt durch die magische Nacht von Rio ein wenig revanchieren. Diese haben wir wiederum unserem sagenhaften Chauffeur Pepin zu verdanken, einem der letzten wahren Abenteurer unserer Zeit, der nun mit dem grünen Deutschland-Glückstrikot durch die Welt streift. „Uns-Kevin“ darf ich nicht vergessen, der nach dem 7:1 trotz Fifa-Intervention mit uns zelebrierte, wie es nur ein Junge von der Südtribüne mit entsprechender Chuzpe fertigbringen kann. Ganz großer Typ! Im Amiland ist natürlich zuerst mein alter Kumpel, der einzigartige Pat zu nennen, ohne den ich mich wohl nie an den bizarren Burning Man herangewagt hätte. Vereinfacht wurde dieses Abenteuer auch dadurch, dass wir uns der Salty Jack Truppe angeschlossen haben. A low key crowd that’s the height of casual sophistication! Und auch der zweite West Coast Roadtrip mit meinem guten Freund Falk war wieder ein tolles Erlebnis! In Taiwan waren meine Weggefährten u.a. Nico und Lukas, die mir auch an meinem Geburtstag Gesellschaft leisteten. In Bangkok lernte ich Pedro aus Chile kennen, mit dem ich anschliessend Nordthailand und Laos bereisen sollte. Auf dieser Route traf ich auch Sharisa aus Bangkok, die fortan bei jedem Zwischenstop in der Stadt der Engel zu meiner persönlichen Stadtführerin und so avancierte. In Laos verstand ich mich so gut mit den smarten Jungs Gero, Max und Dominik, dass wir beschlossen gemeinsam Myanmar zu bereisen. Eine tolle, eindrucksvolle Zeit! Nicht missen möchte ich auch die Begegnung mit Poun und Jin aus Vientiane, die mir ihre Stadt aus einem authentischen Blickwinkel näher brachten. Ansonsten danke ich natürlich dem allseits beliebten Schnips für die treue Begleitung über das ganze Jahr. Dankbar bin ich auch meinen Vorgesetzten und Kollegen, die mir die Auszeit in dieser doch recht sorgenfreien Variante ermoeglicht haben. Und auch meine Familie und Freunde haben stets meine Begeisterung für dieses Projekt geteilt. Ich hoffe, dass ich Euch mit diesem kleinen Blog ein wenig an meinen Erlebnissen teilhaben lassen konnte und wünsche Euch allen ein frohes Fest & nen guten Rutsch! Auf bald! Euer Stefan & Euer Schnips

DSCN0422Mit Diana in YucatanDSCN5219Spanisch Lernen mit Pedro in QuetzaltenangoDSCN5330Bei Gastfamilie Sanchez in XelaDSCN6072Mit Max, Christoph und Timo beim Karneval von Las TablasDSCN6519Mit Cez, Caro & einer Nussschale auf den San Blas-InselnDSCN6764Mit drei Kanadiern auf dem Ciudad Pedida TrekDSCN9178Mit Mafe ueber den Daechern von BogotaFSCN7837Mit Virginia auf Weinprobe in Buenos Aires DSCN7863Die deutschen Volunteers von Porto AlegreDSCN8102Churrasco mit Familie Ramos Klein DSCN8008Mit Volkan und Anuar vor dem StadionDSCN8183Mit Andres und Ahmed in Porto AlegreDSCN8345Halbfinale in Belo Horizonte mit Philipp, Stasi und AndreasDSCN8436Auf dem Weg zum Triumph von Rio mit Pepin, Niko, Stasi und PhilippDSCN8908Auf San Andres mit Brenda und nem RastafariDSCN9404Mit Pat beim Burning ManRSCN9962Mit Clayton in Black Rock City DSCN9635Mit Falk auf Roadtrip durch KalifornienRSCN9386Mofatour in Taiwan mit Hostel-BekanntschaftenDSCN9639Mit Sharisa in BangkokDSCN0131Mit Gero, Max und Dominik in MyanmarDSCN0326Auf der ganzen Welt mit Schnips

In einem Land vor unserer Zeit

Picture 004Auf einem Tempel In BaganFSCN9340Fischer am Inle-SeeFSCN9333 Sonnenaufgang in MandalayFSCN9336Buddhas wohin das Auge reichtPicture 007Balloons over Bagan RSCN9338Auszug aus meiner Fotoserie: Fussballfelder dieser WeltPicture 005Derber Spass auf einer SpendentafelFSCN9335Querfeldein in der PferdekutschePicture 001Kicken zwischen Tausend Jahre alten TempelnFSCN9331Almosengang der MoenchsnovizenFSCN9329Allmorgendliche Gesichtsreinigung des goldenen Buddhas

Aufzeichnungen aus Myanmar

Endstation der im letzten Beitrag beschriebenen Trekking-Tour war ein ausgesprochen schöner See. Eine Bootstour führte uns vorbei an schwimmenden Gärten, an auf Stelzen gebauten Hütten, und immer wieder an Fischern, die, akrobatisch mit einem Bein auf dem Boot balacierend, mit dem anderen Bein das Ruder betätigen, um beide Hände zum Fischen freizuhaben. Zwischendurch wollte ich Sonnencreme erwerben, doch das einzig verfügbare Fabrikat war mit einer „extra-whitening“ Funktion versehen, ganz nach dem asiatischen Schönheitsideal der Hellhäutigkeit. Es wird also wohl nix mehr mit einem braunen Teint, eher das Gegenteil ist nun zu erwarten. Auch ohne helle Haut sehen viele Myanmaren durch ihre blutroten Münder sowieso schon aus wie Zombies, ein Umstand, der aus der hier weitverbreiteten Sitte des Betelnusskauen resultiert. Eine ziemlich unappetitliche Angelegenheit, zumal der Genuss mit ständigem Hingerotze einhergeht, aber jedem das Seine. Wir machten uns dann auf zum absoluten Highlight des Landes, der in der Tat imposanten alten Tempelstadt Bagan. Um das riesige Areal mit Tausenden von Tempeln und Pagoden zu erkunden, mieteten wir uns mit erstaunlich geländegängigen E-Bikes das perfekte Gefährt. Durch die Weitläufigkeit des Geländes verlaufen sich die Touristen und (noch) hat man die Bauwerke meist für sich. Beim Erkunden der Gänge und Erklettern von engen Treppen fühlt man sich ein wenig mystisch, wie Prince of Persia oder wahlweise auch wie Tomb Raider oder Indiana Jones. In den religiösen Bauten sollen sich auch Schlangen wohlfühlen, doch bekamen wir diese wie auch den in Myanmar ansässigen Schabrackentapir nicht zu Gesicht. Jetzt, nach ein paar Tagen in Bagan hat es sich aber auch ausgetempelt und wir sind ziemlich überpagodisiert, so dass ich die Besichtigung von Angkor Wat erst mal weit nach hinten geschoben habe. Der faszinierend-exotische Aufenthalt in Myanmar ist nun auch schon wieder vorbei und wie in diesem Ausmass wurde mir bisher in keinem anderen Land klar, dass wir zwar alle unter dem gleichen Himmel leben, aber unter verschiedenen Horizonten. Jetzt bin ich zum dritten Kurzaufenhalt in Bangkok und nachdem ich endlich auch sowas wie Orientierung habe muss ich sagen: Die Stadt gefaellt mir immer besser. Sowieso gilt: Bored in Bangkok? You gotta be kidding! Picture 002

Tage in Burma

Kurzes Update aus Myanmar. Habe mich inzwischen mit drei unkomplizierten Jungs zusammengeschlossen, allesamt positive Erscheinungen, mit denen ich schon in Laos auf einer Wellenlaenge lag. Nach Mandalay haben wir einige Zungenbrecherorte wie Pyin Oo Lwin, Hsipaw oder Nyaung Shwe besucht. Ganz witzig gestaltete sich in Hsipaw die oertliche Versorgung, denn die selbstbetitelten Mr. Food, Mr. Shake und Miss Popcorn sorgen dort fuer das leibliche Wohl, der Buchhaendler bezeichnet sich als Mr. Book, und Mr. Gold sowie Miss Ruby bieten Schmuckstuecke an. Da weiss man woran man ist. Zufaellig feierte die in dieser Region stark vertretene Bevoelkerungsgruppe der „Shan“ waehrend unseres Aufentahltes das Neujahrsfest nach Ihrer Zeitrechnung. Auf einem grossen Acker wurde volkstuemliche Musik zum Besten gegeben, und rund um ein Feuer begruessten wir mit viel Getoese das Shan-Jahr 2109. Fuer die Einheimischen war der Anblick von uns Langnasen auf diesem Fest etwas gewoehnungsbeduerftig, was unsererseits fuer deren komischen Singsang galt, aber trotzdem hatten wir gemeinsam viel Spass. Das galt auch fuer zwei Radtouren, jeweils mit erfrischenden Badestopps an schoenen Wasserfaellen. Zuletzt absolvierten wir noch einen zweitaegigen Trek mit Uebernachtung in einem Kloster. Dieser war landschaftlich einer der schoensten des Jahres, und auch die abendliche Fussballrunde Moenchsnovizen vs. Touris hat Spass gemacht. Der kurze Einblick in das einfache Leben im Kloster war auch ganz interessant. Wie es hier von jedem buddhistischen Jugendlichen erwartet wird, versuchte sich auch unser junger Trekking Fuehrer mal als Moench, doch wie er berichtete nur fuer eine Woche, denn dann wurde er wegen Stehlens, eine der unverzeihbaren Suenden, verstossen. Dass es sich nur um ein wenig Reis gehandelt hat – im Kloster gibt’s naemlich ab 12 Uhr mittags nichts mehr auf die Gabel – spielte dabei keine Rolle. Ansonsten lassen das alltaegliche Leben fernab unserer Standards, die freundlichen Menschen und die eindrucksvollen Landschaften die kleinen Problemchen wie Busverspaetungen um mehrere Stunden, Stromausfaelle, schwaches bzw. nicht existentes Wifi als halb so wild erscheinen. Auch notieren die Hotels und Busunternehmen stringent die Pass- und Visadaten, wie man munkelt zur Weitergabe an die Geheimdienste zwecks Tourikontrolle. Bei einigen Herbergen wurden wir mangels Lizenz zum Beherbergen von Auslaendern sogar abgewiesen. Trotz oder gerade wegen vieler fuer uns ungewohnter Aspekte – Myanmar ist ein faszinierendes Reiseland.

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Road to Mandalay

Nach einem zweitägigen Zwischenstopp in Bangkok – diesmal in einem authentischen Stadtviertel weit weg von Khao San Road und Ping-Pong-Shows – steht nun mit Myanmar eines der am stärksten buddhistisch geprägten Länder der Welt auf dem Programm. In Mandalay angekommen, wurde mir schnell klar, dass die Stadt mit dem Namensvetter & Luxusresort Mandalay Bay in Las Vegas aber auch rein gar nichts gemein hat. Der Transport zum Hotel erwies sich gleich als Glücksfall, denn der Mototaxifahrer stellte sich als hervorragender Führer heraus, den ich prompt für die ersten Tage engagierte. Ohne seine Anpreisung hätte ich wohl kaum die täglich stattfindende, zeremonielle Gesichtsreinigung einer goldenen Buddha Statue um 4 Uhr morgens bestaunt. Einmal so früh aus den Federn transportierte er mich anschliessend zu einer einzigartigen Teakholzbrücke. Der Einklang der aufgehenden Sonne mit den die Brücke überquerenden Mönchen, den Fischern in ihren Booten und dem leichten Nebel war ein faszinierendes morgendliches Schauspiel. Schon nach wenigen Tagen bin ich sicher, dass Myanmar das außergewöhnlichste Land meiner Reise ist. Einerseits aufgrund des Ambientes durch die unzähligen Pagoden, Klosteranlagen und Tempel, andererseits weil sich vieles noch wie vor hundert Jahren abspielt. Nächtliche Straßenbeleuchtung ist selbst in der Millionenstadt Mandalay nicht vorhanden, Discos Fehlanzeige, Frauen tragen eine pastellfarbene Paste als Sonnen- und Hautschutz im Gesicht, Männer tragen Röcke (Longyis), im Strassenbild sind Handwerksbetriebe wie Webereien, Rubinschleifer und Blattgoldproduzenten fest verankert. Beim Zuschauen der Goldschläger wurde mir mal wieder bewusst, dass es im Leben darauf ankommt, entweder Hammer oder Amboss zu sein, aber niemals das Material dazwischen. Von dem nach stundenlangen Hämmern entstehenden Blattgold werde ich sicherlich einige Scheibchen erwerben, damit der Mettigel zu Weihnachten noch besser schmeckt. Auch merkt man deutlich, dass sich die Militärregierung bis vor wenigen Jahren ziemlich abgeschottet hat und sich erst langsam dem Tourismus sowie westlichen Einflüssen öffnet. Es gibt beispielsweise keinen McDonalds und bis vor kurzem war Coca Cola nicht zu erwerben, doch nun ist die Marketingmaschinerie in vollem Gange. Übrigens bleiben als letzte Coca Cola-freie Enklaven nun nur noch Nordkorea und Kuba…womit mixen die Kubaner dann eigentlich nen Cuba Libre?FSCN0050

Über Vang Vieng nach Vientiane

Auf die genussvollen Tage von Luang Prabang folgte der Ausnahmezustand von Vang Vieng. Dazwischen stand noch eine nicht nur landschaftlich denkwürdige Busfahrt. Ging es im sogenannten VIP-Bus – was für eine Übertreibung für diese marode Klapperkiste – mit lediglich einer Stunde Verspätung los, so dauerte es nicht lange bis zum Ausfall der Klimaanlage. Ich hatte mich schon auf eine unerträgliche Fahrt eingestellt, aber die Reparaturversuche waren schließlich erfolgreich. Einige Serpentinen weiter wurde unsere Geduld dann durch einen Erdrutsch weiter auf die Probe gestellt, doch auch dies liess sich irgendwie aussitzen. Die Welt ist halt sinnbildlich eine launische Geliebte, die erobert werden will, um Reiseautor Andreas Altmann mal zu zitieren. Der schliesslich erreichte Ort Vang Vieng unterlief in der vergangenen Dekade einer Wandlung vom ruhigen Geheimtipp über eine Exzesshochburg ohne Limits bis hin zu irgendwas dazwischen in heutiger Zeit. Weiterhin ein großer Spaß ist das „Tubing“, bei dem man in Gummireifen den Fluss entlangtreibt, wobei die Betreiber bemüht sind, die Gäste mit Seilen an die am Ufer gelegenen Bars zu manövrieren. Heute sind es noch eine Handvoll davon, doch anhand der übriggebliebenen Baracken der inzwischen geschlossenen Betriebe bekommt man eine Vorstellung von dem Irrsinn, der hier vor nicht allzu langer Zeit abgegangen sein muss. Bei über 20 Tubingtoten jährlich und nachdem ein „falang“ (Ausländer) nackt und schreiend ins Dorf rannte und – von den Bewohnern als böser Geist angesehen – fast zu Tode geprügelt wurde, sah sich die Regierung schliesslich dazu veranlasst, dem wahnsinnigen Treiben Einhalt zu gebieten. Heutzutage ist es auf gemässigte Art immer noch „tingtong“ (verrückt, lustig), und bei zu viel Trubel bieten Ausflüge in die mit Bergen, Wasserfällen, Lagunen und Höhlen gesegnete Umgebung einen Ausgleich an. Auch eine Runde Fussball mit der Dorfjugend stand auf dem Programm. Erfreulich zu sehen, dass viele der laotischen Kids dabei Deutschlandtrikots tragen, natürlich bereits mit 4 Sternen auf der Brust! Nun weile ich in der Hauptstadt Vientiane, wohl der einzige Ort im Land, der einigermaßen städtischen Charakter hat. Hier vertreibe ich mir die Zeit bis zur Erledigung einer Visumsangelegenheit mit einigen Partien des von den Franzosen übernommenen Nationalsports Petanque, trinke dabei Lao-Lao (Reisschnaps) mit den Einheimischen und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein.DSCN9729