Archiv für den Monat: Juni 2014

Neues von der Copa do Mundo

Weiterhin völlig geflasht von den vielen Erlebnissen und im Dauer-WM-Rausch versuche ich mal einige Zeilen runter zu schreiben. Bei diesem Event mittendrin statt nur dabei zu sein und einen Einblick hinter die Kulissen zu bekommen geniesse ich sehr. Dabei lasse ich auf  meine durch die Bank sympathischen Volunteer Kollegen nichts kommen, nur vereinzelte Fifa-Pfeifen gehen uns so ziemlich auf den Pin. Von deren Seite  ist jegliche Aktivität abseits des Protokolls untersagt und einem unserer Kollegen wurde sogar irrsinnigerweise die Akkreditierung entzogen, weil er Fotos von einem Mannschaftsbus gemacht hat. Que ridiculo!! Wenn man ein Auge zudrückt kann man der Fifa Professionalität attestieren. Aber wenn der Träger ein Zyklop ist, kann man ein Monokel auch als Brille bezeichnen. Jedenfalls ist der krasse Widerspruch zwischen den strikten Vorgaben und der brasilianischen Lockerheit nicht zu übersehen. Da wird einerseits übertriebenerweise jeder nicht lizensierte Markenname auf den Kopfhörern im Presseraum abgeklebt, andererseits gibt es bei dem brasilianischen Sicherheitspersonal immer wieder kleine Umwege („jeitinho“) auch mal einen Blick hinter eigentlich verschlossene Türen zu werfen. Ein Lächeln und der täglich hundertfach praktizierte „Daumen hoch“ reicht dazu meist aus. Denn englisch oder spanisch sprechendes Personal ist hier rar gesät, so dass ich mich mit „portuñol“, dem mittlerweile angeeigneten Mischmasch aus Spanisch und Portugiesisch, versuche so weit es geht zu verständigen. Sehr bereichernd sind die täglichen Begegnungen mit den Journalisten – ein spezieller Menschenschlag – wobei aus Deutschland bisher nur eine Handvoll  hier ist. Das wird sich in den nächsten Tagen mit dem hier stattfindenden Achtelfinale Deutschland – Algerien ändern. Dann bekomme ich sicher auch das ein oder andere bekannte Gesicht zu sehen und vielleicht kann ich Waldi dann ja doch noch sein Weißbier servieren. Doch auch viele der übrigen Journalisten sind nette Zeitgenossen, ein gastfreundlicher einheimischer TV-Reporter hat mich nach einem Match sogar zu einem netten Churrasco Abend mit seiner Familie eingeladen. Für die Gauchos ist ein froher Gast eben niemals Last und sie sind sehr interessiert an den Besuchern aus fernen Ländern, vielleicht auch weil PoA ausserhalb der WM eben nicht gerade als ausgewiesene Touristenhochburg gilt. Die Brasilien- und Deutschland Spiele verfolge ich mit meinen Volunteer Kollegen in der Regel auf dem riesengroßen Fanfest, mit anschließender Samba oder Funk Party. Von den dortigen Fangruppen wird neben der grossen Anhängerschaft der Holländer und der Australier sicher die Invasion von mehr als 100.000 Argentiniern in Erinnerung bleiben. Daraus resultierte eine extrem hohe Sicherheitsstufe, alleine fünf Checkpoints mussten auf dem Weg zu Stadion absolviert werden. Von den Strassenschlachten und Protesten gegen den World Cup bekomme ich dagegen gar nichts mit, sicher auch weil diese eher im Zentrum denn in Stadion- oder Fanfestnähe stattfinden. Die WM-Vorrunde ist gefühlt extrem schnell vorbeigeflogen und – kaum zu glauben – in einigen Tagen werde ich meine Zelte in Porto Alegre auch schon wieder abbrechen. Es wird sicher ein wenig schwerfallen die Stadt, die vielen Bekanntschaften, die Volunteer-Kollegen, und meine liebgewonnene argentinische Wohngemeinschaft zu verlassen. Doch Zeit zum Durchatmen oder für melancholische Gefühle bleibt nicht, denn mich erwartet keine geringere als die „cidade maravilhosa“, die wunderbare Stadt: the one and only Rio de Janeiro!!

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A time to make friends

Bom dia, boa tarde & boa noite aus Porto Alegre! Seit dem Beginn der Copa sind die Tage unheimlich intensiv und es bleibt kaum Zeit zum Durchatmen, geschweige denn zum Verarbeiten. In meiner Funktion als Medien-Volunteer geht es morgens zunächst ins Medien-Center direkt am Stadion, wo die Fäden zusammenlaufen. Wir sind dort Anlaufstelle für die akkreditierten Journalisten, geben Tickets, Medien-Pässe und Materialien aus und dienen als Infopoint. Weitere Einsatzorte sind die Medientribüne, die Pressekonferenz und die Mixed-Zone, in der nach dem Spiel die Interviews stattfinden. Außerdem betreuen wir am Spielfeldrand die Fotografen. Während der ersten Einsatztage gab es genug Gelegenheit, die internationale Gemeinschaft mit Freiwilligen aus 42 Ländern kennenzulernen und auch um im Volunteer-Center die ein oder andere Partie im TV anzuschauen. Am Tag vor den Spielen, an dem die Pressekonferenz und das öffentliche Training stattfinden, und am Spieltag selbst wird es dann ziemlich hektisch. Neben der Betreuung einer Pressekonferenz war ich schon als „Runner“ eingesetzt, der druckfrische Infoblätter mit Aufstellung, Match Statistics etc. auf schnellstem Weg vom Medien Center zu den Journalisten ins Stadion bringt. Nach der Schicht geht es meist noch wahlweise in eine Churrascaria, ein All-you-can-eat-Rodizio-Restaurant vom allerfeinsten, oder auf einige Feierabenddrinks ins überragende Nachtleben. Besonderer Ausnahmezustand herrscht natürlich bei Spielen der „Seleçao“, bei denen die Brasilianer traditionell von ihren Arbeitspflichten entbunden werden. Nach den feucht-fröhlichen Abenden muss ich ich dann aber am nächsten Morgen immer wieder aufs neue den inneren Schweinehund im Tierheim abgeben, um mich zu ungewohnten Zeiten aus dem Bett zu quälen, aber das Aufstehen ist es immer wieder wert. Denn auch wenn wir als Volunteers naturgemäss nicht bezahlt werden, so sind die Erlebnisse, Erfahrungen und Freundschaften unbezahlbar und so sind diese Wochen ein weiterer Beweis für die Wahrhaftigkeit der weisen Worte meines langjährigen Büropartners: „Was ist schon Geld im Vergleich zu Raum und Zeit.“ Worte, so wahr, dass sie eigentlich in Stein gemeißelt werden müssten. Raum und Zeit sind auch im modernen Fussball die höchsten Güter. Hoffen wir, dass Jogis Jungs das auch wissen und den Pott nach Hause holen! Ich wünsche euch allen eine tolle WM!

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Copa, Churrasco & Caipirinha

März 2009, Itacaré, Bahia. Ich lag an einem Strand namens Havaizinho (Klein-Hawaii), bis heute der schönste, den ich je zu Gesicht bekam. Vorangegangen waren die wahnwitzigen Karnevalstage von Salvador de Bahia. Obwohl erst einige Tage im Land, war ich längst verliebt in Brasilien. Aus der damaligen Strandlektüre „Futebol – the brazilian way of life“ (Alex Bellos) ist mir besonders die Beschreibung Brasiliens von Sókrates in Erinnerung geblieben. Nicht von dem griechischen Denker – auch wenn der sicherlich ebenfalls erwähnenswerte Zitate auf Lager hätte – sondern vom legendären brasilianischen Fußballer, der auch abseits des Platzes in vielerlei Hinsicht glänzte: „Brasil is a big disaster zone, but it’s the essence of humanity.“ Fünf Jahre später bin ich erneut, zum fünften Mal, im „pais tropical“ angekommen. Und zwar in Porto Alegre im Süden des Landes, seit der emotionsgeladenen Zeit mit Laura sowas wie mein brasilianisches Zuhause. Auch wenn die Leute hier kulturell den Gauchos näher stehen als dem restlichen Brasilien, merkte ich schon an dem lockeren „tudo bem?“ (alles gut?) zur Begrüßung: ich bin endlich wieder da! PoA ist keine Stadt, in die man sich sofort verliebt, hat aber auf den zweiten Blick sehr viel Potential, wenn man erstmal die richtigen Orte kennt (und die richtigen Leute). Also ähnlich wie Dortmund 😉 Nach einem halben Jahr des Vagabundierens werde ich nun zumindest für einen Monat sesshaft. Die Unterkunftssuche war dabei alles andere als einfach, weil jeder etwas vom WM-Kuchen abbekommen will und die Preise astronomische Höhen annehmen. Mit drei in Buenos Aires kennengelernten Argentiniern, ebenfalls Volunteers, habe ich aber schliesslich ein erschwingliches Apartment gefunden. Neben Akkreditierung und Einweisungen standen auch schon die ersten Volunteer-Partys mit Caipirinhas und Churrasco, dem brasilianischen Barbecue an. Schon dort war inmitten wild gemischter Volunteers aus aller Herren Länder eine unglaubliche Begeisterung, ein besonderer Spirit spürbar. Es ist also alles angerichtet, lasset die Spiele beginnen!!

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Im Land der Gauchos

Kurze Wasserstandsmeldung vom Rio de la Plata: Diesen kurz ueberquert, und schon war Uruguay erreicht. Im pittoresken Colonia del Sacramento erwartete mich ein ziemlich abgeranztes Hostel mit gerade mal 3 Gaesten. Umso erstaunter war ich, als auf einmal Diego Lugano, seines Zeichens Kapitaen der uruguayischen Nationalmannschaft, in der Tuer stand. Wie sich herausstellte fuer ein Stelldichein mit der Rezeptionistin. In Aktion habe ich ihn dann ein paar Tage spaeter bei einem Freundschaftsspiel im legendaeren Estadio Centenario gesehen, dem Schauplatz des ersten WM-Finales anno 1930. Hier ist alles noch ein bisschen mehr “gaucho” als beim ungeliebten Nachbarn Argentinien, insbesondere wird noch mehr des allgegenwaertigen Mate-Tees getrunken und noch mehr Fleisch verzehrt. Als Gegenpol zum laendlichen Leben der suedamerikanischen Version des Cowboys bietet die Hauptstadt Montevideo, vielleicht das kulturelle Zentrum Lateinamerikas, so einige schoengeistige Aktivitaeten. Diverse Museen ueber den hiesigen Karneval, Gaucho-Kultur oder feinste Talavera-Keramikkunst (Azulejos) habe ich daher abgeklappert und sogar zu einem Theaterbesuch musste ich nicht zweimal gebeten werden. Einen Berg, wie der Name der Stadt vermuten laesst („monte video“) sehe ich allerdings hier nicht. Zwar ist der Exotik-Faktor hier aufgrund der eher europaeischen Praegung deutlich geringer als in den vorher von mir besuchten Laendern, aber dass die Urne eines Freiheitskaempfers Tag und Nacht von 2 Wachleuten bewacht wird, hat mich dann doch stutzig gemacht. Nun gut, “Warum” ist fuer mich in solchen Faellen schon lange keine Kategorie mehr. Ab einem gewissen Punkt geht der zu Grunde, der zu den Gruenden geht. Fuer sehr sinnvoll halte ich hingegen das uruguayische Universalwort “Bo”, das u.a. in unkomfortablen Situationen wie beispielsweise im Fahrstuhl eingesetzt wird, um ein unangenehmes Schweigen zu vermeiden. Die Tage gehts dann aber auch rueber nach Brasilien, die“Saudade“ (Sehnsucht im weitesten Sinne) in Verbindung mit dem WM-Fieber setzt naemlich unaufhaltsam ein.DSCN7778

Im Land der Gauchos

Kurze Wasserstandsmeldung vom Rio de la Plata: Diesen kurz ueberquert, und schon war Uruguay erreicht. Im pittoresken Colonia del Sacramento erwartete mich ein ziemlich abgeranztes Hostel mit gerade mal 3 Gaesten. Umso erstaunter war ich, als auf einmal Diego Lugano, seines Zeichens Kapitaen der uruguayischen Nationalmannschaft, in der Tuer stand. Wie sich herausstellte fuer ein Stelldichein mit der Rezeptionistin. In Aktion habe ich ihn dann ein paar Tage spaeter bei einem Freundschaftsspiel im legendaeren Estadio Centenario gesehen, dem Schauplatz des ersten WM-Finales anno 1930. Hier ist alles noch ein bisschen mehr “gaucho” als beim ungeliebten Nachbarn Argentinien, insbesondere wird noch mehr des allgegenwaertigen Mate-Tees getrunken und noch mehr Fleisch verzehrt. Als Gegenpol zum laendlichen Leben der suedamerikanischen Version des Cowboys bietet die Hauptstadt Montevideo, vielleicht das kulturelle Zentrum Lateinamerikas, so einige schoengeistige Aktivitaeten. Diverse Museen ueber den hiesigen Karneval, Gaucho-Kultur oder feinste Talavera-Keramikkunst (Azulejos) habe ich daher abgeklappert und sogar zu einem Theaterbesuch musste ich nicht zweimal gebeten werden. Einen Berg, wie der Name der Stadt vermuten laesst („monte video“) sehe ich allerdings hier nicht. Zwar ist der Exotik-Faktor hier aufgrund der eher europaeischen Praegung deutlich geringer als in den vorher von mir besuchten Laendern, aber dass die Urne eines Freiheitskaempfers Tag und Nacht von 2 Wachleuten bewacht wird, hat mich dann doch stutzig gemacht. Nun gut, “Warum” ist fuer mich in solchen Faellen schon lange keine Kategorie mehr. Ab einem gewissen Punkt geht der zu Grunde, der zu den Gruenden geht. Fuer sehr sinnvoll halte ich hingegen das uruguayische Universalwort “Bo”, das u.a. in unkomfortablen Situationen wie beispielsweise im Fahrstuhl eingesetzt wird, um ein unangenehmes Schweigen zu vermeiden. Die Tage gehts dann aber auch rueber nach Brasilien, die“Saudade“ (Sehnsucht im weitesten Sinne) in Verbindung mit dem WM-Fieber setzt naemlich unaufhaltsam ein.DSCN7778